Psychomotorik in der Schule

26.09.2018

Entwicklung, Umsetzung und Evaluation psychomotorischer Lehr- und Lernmethoden in der Volksschule und Neuen Mittelschule

Ziel der vorliegenden Evaluierungsstudie war es, die Wirkung psychomotorischer Lehr- und Lernmethoden in der Volksschule und Neuen Mittelschule auf die sozial-emotionalen Schulerfahrungen, das Selbstwertgefühl, die basale Lesefertigkeit und die mathematischen Kompetenzen von Kindern zu untersuchen.

In der durchgeführten Intervention wurde vorrangig an der Lehrer/innen-Schüler/innenbeziehung und der Beziehung der Schüler/innen untereinander sowie der Gestaltung motivations- und lernfördernder Unterrichtsbedingungen (Autonomieförderung der Schüler/innen, soziales Eingebundensein und Gefühl des Kompetenzerlebens) gearbeitet. Dazu wurden psychomotorische Elemente in der Arbeit mit den Schüler/innen und Lehrer/innen eingesetzt.

Die Ergebnisse der Studie sind heterogen. In der Volksschule zeigten die Kinder der Interventions- und Referenzgruppe in Bezug zur Normstichprobe signifikante Verbesserungen auf Gruppenebene (Varianzanalysen) in einigen Aspekten der erhobenen emotionalen und sozialen Schulerfahrungen (soziale Integration, Klassenklima, Selbstkonzept, Gefühl des Angenommenseins). Bezogen auf die Schuleinstellung, Anstrengungsbereitschaft und Lernfreude zeigten sich auf Gruppenebene keine signifikanten Effekte. Die Gruppenmittelwerte beider Gruppen waren zu jedem Zeitpunkt innerhalb des Durchschnittsbereichs (teilweise im überdurchschnittlichen Bereich). Ein Vorteil psychomotorischer Lehr- und Lernmethoden lässt sich aus diesen Ergebnissen auf Gruppenebene statistisch nicht absichern.

Die ursprünglich geplanten Analysen auf Gruppenebene wurden im Laufe des Projekts um eine intraindividuelle Analyse (Reliable Change Index) ergänzt. Betrachtet man die relativen Anteile der RCI-Gruppen (reliable Verbesserung, keine Veränderung, reliable Verschlechterung), so zeigt sich, dass es in der Interventionsgruppe bei einem größeren Anteil an Kindern eine Steigerung in den Bereichen Lernfreude, Klassenklima und Gefühl des Angenommenseins gab. Die in der Referenzgruppe angewandten, reformpädagogisch orientierten Unterrichtsmethoden wirkten sich positiv auf Klassenklima, soziale Integration, Selbstkonzept, Anstrengungsbereitschaft und das Gefühl des Angenommenseins aus. Zwischen den Gruppen konnten keine signifikanten Unterschiede ausgemacht werden. In den Skalen soziale Integration, Selbstkonzept und Anstrengungsbereitschaft konnten die in der Referenzgruppe angewandten Unterrichtsmethoden einen höheren Anteil an Kindern in ihrer Entwicklung fördern. Bei der Skala „Gefühl des Angenommenseins” konnten beide Gruppen positive Veränderungen erzielen.

Aus dem Vergleich mit der Normstichprobe kann geschlossen werden, dass die in den Interventions- und Referenzgruppen angewandten Unterrichtsmethoden (psychomotorische sowie reformpädagogische Ansätze) deutliche Vorteile bei sozial-emotionalen Schulerfahrungen gegenüber Standardlehrmethoden aufweisen. Lediglich in der Skala „Schuleinstellung” ist der Anteil an Kindern, der sich über die Zeit verschlechtert hat, relativ hoch. Eine detailliertere Erhebung des vielschichtigen Konstruktes Schuleinstellung wäre hilfreich, um Hinweise zu bekommen, in welche Richtung man Unterrichtskonzepte modifizieren müsste, um zu einer positiven Schuleinstellung beizutragen.

Eine Begründung dafür, dass keine signifikanten Unterschiede zwischen Interventions- und Referenzgruppe festgestellt werden konnten, könnte in den in der Referenzgruppe eingesetzten reformpädagogischen Unterrichtskonzepten zu finden sein, die, wie psychomotorische Lehr- und Lernmethoden, zu einer – verglichen mit der Normstichprobe – verbesserten Entwicklung der Kinder beitrugen. Da nur jeweils eine Klasse untersucht wurde, könnten personenbezogene Variablen der Lehrerinnen eine nicht kontrollierte Störvariable darstellen. Weiters sind beide Klassen aus derselben Schule und somit in dasselbe soziale Schulsystem eingebettet. Diese Ähnlichkeit beider Gruppen sowie die geringe Stichprobengröße könnten ebenfalls Erklärungen für die nicht signifikanten Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen darstellen.

Hinsichtlich der basalen Lesekompetenz zeigt sich in beiden Untersuchungsgruppen eine Verbesserung in Bezug zur Normstichprobe. Der angenommene Vorteil psychomotorischer Lehr- und Lernmethoden lässt sich statistisch nicht absichern. Auch die Analysen der intraindividuellen Veränderungen zeigen ähnliche Ergebnisse zwischen Interventions- und Referenzgruppe.

Die Ergebnisse zur Entwicklung der mathematischen Basiskompetenzen zeigen, dass sich die Gesamtgruppe in der Skala Rechenoperationen signifikant verschlechtert hat. Der Effekt war zwar signifikant, ist aber aufgrund der kleinen Effektstärke als gering einzustufen. Bei den räumlich-visuellen Funktionen zeigten sich auf Gruppenebene keinerlei signifikante Effekte. Der Vorteil von bewegungsorientierten Konzepten auf die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten (in dieser Studie Lesekompetenz und mathematische Basiskompetenzen) im Schulkontext (für einen Überblick s. Bailey et al., 2009) zeigt sich in der vorliegenden Studie lediglich bei der intraindividuellen Entwicklung der räumlich-visuellen Funktionen. In der Interventionsgruppe war der Anteil an Kindern, die sich in diesem Bereich verbessert haben, explorativ betrachtet höher als in der Referenzgruppe (wenn auch nicht signifikant). Eine Erklärung hierfür wären die durch die Maßnahmen induzierten vermehrten Aufenthalte in der Turnhalle, im Pausenhof und in unterschiedlichen Naturarealen. Das Gestalten der jeweiligen Räumlichkeiten und Plätze im Wald mit Geräten oder Naturmaterialien sowie der damit verbundene Umgang mit Größen und Längen, stellen eine hohe Anforderung an die räumlich-visuellen Funktionen dar.

Die Ergebnisse zeigen, dass die in den Interventions- und Referenzgruppen angewandten Unterrichtsmethoden die Kinder sowohl in ihrer sozial-emotionalen als auch in ihrer kognitiven Entwicklung sehr gut unterstützen können, und dass diese Methoden Vorteile gegenüber Standardlehrmethoden haben.

In den Neuen Mittelschulen zeigte sich auf Gruppenebene, dass psychomotorische Lehr- und Lernmethoden einen signifikant positiven Effekt auf das Selbstwertgefühl im Bereich Schule haben. Die beiden Untersuchungsgruppen unterschieden sich zum letzten Erhebungszeitpunkt signifikant voneinander. Das zeigt, dass es Zeit braucht, bis sich Maßnahmen in einer Verbesserung des Selbstwertgefühls im Bereich Schule niederschlagen. Beim Selbstwertgefühl im Bereich Freizeit zeigten sich keine signifikanten Effekte und im Bereich Familie hat sich das Selbstwertgefühl sowohl in Interventions- als auch in Referenzgruppe signifikant verbessert.

In den Analysen zu den intraindividuellen Veränderungen zeigte sich ein ähnliches Bild. In der Interventionsgruppe war der Anteil an Kindern, die vom ersten zum letzten Testzeitpunkt eine reliable Verbesserung ihres schulischen Selbstwertgefühls zeigten, signifikant höher als in der Referenzgruppe. Die Intervention kann in diesem Bereich trotz geringer Stichprobengröße signifikante positive Effekte nachweisen. Beim Selbstwertgefühl in den Bereichen Freizeit und Familie lassen sich ebenfalls leichte Vorteile psychomotorischer Lehr- und Lernmethoden erkennen (nicht signifikant). Der Anteil an Kindern, die ihr Selbstwertgefühl im Bereich Freizeit und Familie verbessert haben, war in der Interventionsgruppe explorativ betrachtet höher als in der Referenzgruppe (wenn auch nicht signifikant).

Hinsichtlich der Lesekompetenz (Normwerte, welche die Kompetenz der Kinder in Bezug zur Normstichprobe wiedergeben) zeigten sich auf Gruppenebene keine signifikanten Effekte. Die Kinder haben sich ähnlich der Normstichprobe entwickelt. Die Analysen zu den individuellen Veränderungen zeigen ebenfalls, dass sich der größte Anteil der Kinder in beiden Gruppen ähnlich der Normstichprobe entwickelt hat. Wie bei den Volksschulkindern kann bei der Entwicklung der Lesekompetenz kein Vorteil psychomotorischer Lehr- und Lernmethoden nachgewiesen werden.

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse das Potential psychomotorischer Lehr- und Lernmethoden im Schulkontext. Die Entwicklung ausgewählter sozial-emotionaler Variablen (Lernfreude, Klassenklima, Selbstwertgefühl im Bereich Schule) sowie räumlich-visuelle mathematische Basiskompetenzen können durch psychomotorische Unterrichtsmethoden sehr gut unterstützt werden. Es lässt sich schlussfolgern, dass Interventionen, die primär auf die Verbesserung der Lehrer/innen-Schüler/innen-Beziehung bzw. der Beziehung der Schüler/innen untereinander abzielen, durch spezifische psychomotorische Maßnahmen, welche den Erwerb von Lesekompetenz und mathematischen Basiskompetenzen sowie die Entwicklung des Selbstkonzeptes unterstützen, ergänzt werden sollten.

 

Laufzeit

01.09.2014 - 31.12.2018

Fördergeber

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Sparkling Science

Link

https://www.sparklingscience.at/de/projects/show.html?--typo3_neos_nodetypes-page[id]=607

Sparklingscience